Erfahrungsbericht: Angst, eine Beziehung zu beenden


Vorgeschichte:

Heike K., 28 Jahre, hatte vor etwa 2 Jahren 3 Beratungstermine. Anlass damals war ihre berufliche Situation. Frau K. hatte nach der Ausbildung eine Anstellung in einem kleinen Betrieb mit ca. 50 Mitarbeitern begonnen. Sie wollte weiterkommen und begann parallel dazu mit einer Fortbildung zur Betriebswirtin. Sie übernahm bereitwillig alle anfallenden Aufgaben, war ehrgeizig und wollte ihren Job gut machen. Dadurch weckte sie schnell den Neid ihrer Kollegen und wurde bald massiv gemobbt. Sie litt darunter, fühlte sich aufgrund der finanziellen Verpflichtungen durch ihre noch mehrere Monate andauernde Fortbildung aber auf ihren Job angewiesen. Eine Kündigung lehnte sie daher ab.

Frau K. war bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, einer streng religiösen Frau, die sie ständig mit einem kontrollierenden, bestrafenden Gottesbild konfrontierte. Ihre Kindheit beschrieb sie als geprägt vom Wunsch, allen Erwartungen zu entsprechen, „brav“ und dankbar zu sein sowie von der Angst vor – auch zeitversetzter – Strafe („Gottes Mühlen mahlen langsam, aber…“). So ließ sich auch ihre Entscheidungsblockade in ihrer aktuellen beruflichen Situation erklären. Sie lernte sich bei persönlichen Angriffen abzugrenzen („Schutzpanzer“) und begann sich parallel zu ihrer Arbeit bei anderen Unternehmen zu bewerben. Als sie ein attraktives Job-Angebot eines Großunternehmens erhielt, sagte sie zu und bestand kurz darauf erfolgreich ihre Prüfung zur Betriebswirtin.

Aktueller Beratungsanlass:

Frau K. lebt seit 5 Jahren mit ihrem Partner zusammen. Bereits im ersten Kontakt sprach sie an, dass die Beziehung nicht optimal sei, sie sich aber derzeit auf ihre beruflichen Themen konzentrieren wollte. Heute nennt sie einen Entscheidungskonflikt: Die Familie ihres Partners drängt auf Heirat. Als vor kurzem vorübergehend die Möglichkeit einer Schwangerschaft bestand, wurde ihr klar, dass sie mit diesem Partner keine Kinder will. Sie beschreibt ihren Partner als eher introvertiert. Er hätte keine großen Ansprüche, nähme alles, „wie es kommt“. Auf die Frage, was sie von einer Trennung abhielte, nennt sie ihr schlechtes Gewissen, weil er sie in ihrer früheren beruflichen Situation finanziell unterstützt hätte. Er sei auch während der Mobbing-Phase „immer gut zu ihr gewesen“, „hätte eine Trennung eigentlich nicht verdient“. Als Dank dafür habe sie sich bisher angepasst und versucht, den Erwartungen seiner Familie zu entsprechen. Außerdem sei sie sicher, dass „ihre Undankbarkeit irgendwann bestraft würde“. Auf Nachfrage zeigt sich, dass sie sich sehr gut vorstellen kann, alleine und somit unabhängig zu leben. Als aktuelles Ziel bittet sie dennoch um Unterstützung dabei, „sich endlich auf das Gute in ihrem Partner konzentrieren zu können“ und „ein normales Leben“ zu leben.

Frau K. reagiert mit sichtbarer Angst, wenn sie sich vorstellt, wie sie ihrem Partner mitteilt, dass sie sich entschlossen hat, sich von ihm zu trennen. Sie sieht im Anschluss sofort Situationen vor sich, in denen ihr von der Familie ihres Partners vorgeworfen wird, ihn für ihren beruflichen Ehrgeiz ausgenutzt zu haben. Darüber taucht das Bild auf, wie ihr Vorgesetzter ihr mitteilt, dass er sie aufgrund von „charakterlichen Mängeln“ leider entlassen muss.

Therapeutische Hypothesen zur Selbstverantwortung:

  • Frau K. tut sich sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld schwer, Grenzen aufzuzeigen und zu ihren Bedürfnissen zu stehen
  • Sie ist durch ihre Kindheit geprägt von dem Wunsch, Erwartungen zu erfüllen und sich anzupassen. Darüber hinaus empfindet sie eine fatalistische Angst vor Rache und Bestrafung, die sie für Manipulationen aller Art empfänglich macht. Vermutlich besteht hier ein Zusammenhang zu den psychischen Verarbeitungsmustern ihrer Mutter.

Beratungsverlauf:

Zur kritischen Überprüfung ihres Zieles werden Frau K. VIT-Sätze angeboten:

  • „Es ist okay für mich, wenn mir andere vorgeben, wie ich leben soll“
  • „Es ist mir wichtiger, den Erwartungen der Familie meines Partners zu entsprechen als selbst glücklich zu sein“
  • „Ich verbiege mich gerne, wenn andere das wollen. So wie ich bin, bin ich sowieso nichts wert.“
  • „Wenn ich für meine Bedürfnisse eintrete, liebt mich niemand mehr.“

Sie reagiert mit zunehmender Betroffenheit und fängt an zu weinen. Erneut nach ihrem Ziel befragt, flüstert sie „Ich darf nicht mehr lügen. Ich muss es ihm sagen.“

Anwendung des Ziff-Prozesses:

  • Belastende Situation: Frau K. wird gebeten, sich vorzustellen, wie sie von der Arbeit nach Hause kommt. Ihr Partner hat bereits gekocht und den Tisch gedeckt. Sie weint und skaliert das Gefühl mit „7“. Sie setzt sich, bedankt sich, dass er gekocht hat und bittet ihn um ein Gespräch nach dem Essen. Das belastende Gefühl wird etwas schwächer, steigt aber wieder an, als das Essen vorbei ist und sie im Wohnzimmer sitzen. Als sie sich vorstellt, dass er sie erwartungsvoll anschaut, nennt sie „9“.
  • Visualisierung: Sie fühlt einen „dicken Kloß“ im Hals und beschreibt den Kern als „schwarzen Klumpen“, der auf sie zukommt. Sie fühlt sich bedroht, hat Angst, überrollt zu werden. Direkt vor ihr kommt der Klumpen zum Stehen. Sie beginnt heftig zu atmen und „nein, nein“ zu flüstern, worauf sie gebeten wird, den Klumpen anzusehen und zu fühlen, was er ausstrahlt. Nach einiger Zeit beschreibt sie unter Tränen große Trauer, die sich langsam von „9“ auf „7“ reduziert. Dabei wird der Klumpen kleiner und rollt ein Stück von ihr weg („4“).
  • innerer Friede“: Sie kann jetzt auf kleinen Klumpen zugehen und ihn liebevoll streicheln. Er wird immer kleiner und beginnt auf einmal zu leuchten („wie ein Stern am Nachthimmel“). Sie beschreibt ein angenehmes, warmes  Gefühl von Ruhe, Freiheit und Unabhängigkeit. Der Kloß im Hals ist verschwunden.
  • Überprüfung: Frau K. stellt sich vor, wie sie das Gespräch mit ihrem Partner beginnt: „Du bist mir sehr wichtig, deswegen möchte ich dir ehrlich sagen, wie es mir momentan geht. Ich habe dich in schwierigen Situationen als verlässlichen Freund schätzen gelernt. Dafür danke ich dir. Derzeit spüre ich, dass mir Freiheit und Unabhängigkeit wichtiger sind als eine Beziehung, weil ich nur so klären kann, was ich wirklich will. Ich möchte daher meinen Weg alleine weitergehen.“ Der zunächst angespannte Partner entspannt sich zunehmend. Er hat es schon kommen sehen und beginnt zu weinen. Frau K. reagiert ebenfalls mit Trauer, aber ohne Schuldgefühle.
  • Vereinbarungen: Frau K. nimmt sich von sich aus vor, dass sie nach dem Gespräch mit ihrem Partner das Gespräch mit seiner Mutter suchen und ihre Entscheidung mitteilen wird.

Weiterer Beratungsverlauf:

Frau K. berichtet wenige Tage später per mail, dass sie erst mit ihrem Partner und dann mit dessen Mutter gesprochen hat. Ihr Partner habe sachlich-kühl reagiert und die Auflösung der gemeinsamen Wohnung mit ihr besprochen. Ihr Freundschaftsangebot habe er abgelehnt mit der Begründung, dass er so nicht „frei für eine neue Beziehung sein könne“. Seine Familie wollte ab sofort nichts mehr mit ihr zu tun haben. Die Mutter „hätte ja immer schon gewusst, dass sie nur ihre Karriere im Kopf habe“.