Die Bedeutung unserer Gefühle


Jeder kennt angenehme und unangenehme Gefühle. Natürlich genießen wir schöne Gefühle – auch wenn es manchmal lediglich “Ersatzgefühle” sind. Unangenehme und belastende Gefühle wollen wir lieber nicht fühlen. Sie sind aber notwendig, um das, was uns in unserem Leben passiert, zu verarbeiten: Wir müssen trauern, wenn wir uns von einer Person oder einem Lebensabschnitt verabschieden müssen. Wir empfinden Wut, wenn wir uns nicht respektiert fühlen. Die unangemessene Angst vor einer (meist sozialen) Situation zeigt uns, wo wir hinderliche Überzeugungen und Selbstzweifel haben. Viele Menschen haben aber verlernt, unangenehme Gefühle ganz natürlich zu fühlen. Warum?

Warum gehen wir nicht ganz natürlich auch unangenehmen Gefühlen um?


Wir lernen bereits als Kinder, unsere Grundbedürfnisse zu unterdrücken und die dabei auftretenden (warnenden) unangenehmen Gefühle mit rationalen Kommandos zu kontrollieren (“Lass dir nichts anmerken!”). Oder wir lernen, uns durch bestimmte Verhaltensweisen abzulenken (“Sei nicht traurig. Willst du ein Stück Schokolade?”). Wir versuchen immer mehr, den Erwartungen anderer Menschen zu entsprechen und verfolgen Ziele, die nicht unsere eigenen sind. Aus Angst vor Ablehnung setzen wir uns immer mehr unter Druck und versuchen mit hohem Aufwand unseren selbst auferlegten Verpflichtungen gerecht zu werden. Als Erwachsene haben wir uns angewöhnt, Ärger und Enttäuschung herunterzuschlucken. Und zwar jeder mit seinen individuellen Methoden…

  • Viele Betroffene lernen frühzeitig sich zu kontrollieren. Sie bleiben distanziert und weichen zunehmend Situationen aus, in denen sie mit “echten” Gefühlen (z.B. Trauer) konfrontiert werden könnten. Der Grund für viele Partnerschaftsprobleme…
  • Andere unterdrücken ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihres Tuns und “funktionieren” einfach.
  • Etliche vermeiden jegliche Herausforderung, um nicht mit ihren Selbstzweifeln konfrontiert zu werden. Sie haben längst verlernt, Stolz auf eine Leistung zu empfinden (“Das ist doch nichts Besonderes!”) oder gar glücklich zu sein (“Wer weiß, was noch alles kommt!”).
  • Und dann gibt es noch die Menschen, die gelernt haben, sich durch Verhaltensgewohnheiten abzulenken – beispielsweise mit exzessivem Sport, Internet, übermäßigem Essen oder Alkoholkonsum. Oder natürlich durch Medikamente, mit denen sie ihre Symptome “abstellen” wollen.

Sie alle vermeiden belastende Situationen und stecken den Kopf in den berühmten Sand. Das hat aber Folgen.

“Unser Körper vergisst kein Gefühl, das nicht gefühlt worden ist”

Gefühle lassen sich nicht dauerhaft unterdrücken. Im Gegenteil: Je mehr wir sie “bekämpfen”, desto stärker werden sie. Es kostet uns daher immer mehr Energie, sie unter Kontrolle zu halten… Neurowissenschaftliche Studien haben längst nachgewiesen, dass wir Ereignisse und die zugehörigen Gefühle nicht nur als Erinnerung in unserem Gedächtnis speichern, sondern in unseren neuronalen Zellen (dem sog. Zellgedächtnis) überall in unserem Körper. Werden Gefühle unterdrückt, können sie nicht auf natürliche Weise verarbeitet werden, sondern bleiben als zelluläre Anspannung bestehen. Passiert das immer wieder, sorgen sie in unseren Muskeln (z.B. Schultern, Nacken) und Organen (z.B. Magen, Darm) für chronische Anspannung, schwächen damit unser Immunsystem und führen irgendwann zu körperlichen Funktionseinschränkungen und Erkrankungen. Unverarbeitete Gefühle führen aber nicht nur zu körperlichen Symptomen. Sie lassen uns im Alltag zunehmend unangemessen und unkontrolliert bzw. impulsiv reagieren: Wir lassen uns beispielsweise von Kleinigkeiten aus der Bahn werfen. Manche Menschen beginnen, bestimmte Situationen aus Angst vor unangenehmen Gefühlen ganz zu vermeiden. Besonders deutlich wird das bei Menschen, die einem hoch belastenden Ereignis ausgesetzt waren und die Gefühle nicht verarbeiten konnten. Sie erleben oft noch lange Zeit danach, dass die damaligen Gefühle plötzlich unkontrolliert auftauchen und sie regelrecht zu überfallen scheinen (die sog.  posttraumatische Belastungsstörung). Vielen psychischen und psychosomatischen Symptomen liegen unverarbeitete Gefühle bzw. emotionale Blockaden zugrunde, die (endlich) aufgelöst verarbeitet werden müssen. Und das ist oft gar nicht so einfach. Viel zu lange haben wir uns angewöhnt, unangenehme Gefühle mit unserem Verstand zu “bekämpfen” (z.B. “Stell dich nicht so an!”, “Reiß dich zusammen!”). Nur in einem trance-ähnlichen Zustand kann die verstandesmäßige Kontrolle unterbrochen, das ursprüngliche Gefühl erneut aktiviert und auf einer emotionalen Ebene verarbeitet, d.h. “zu Ende gefühlt” werden. Dadurch werden die natürlichen Selbstheilungskräfte aktiviert und körperliche und psychische Prozesse können wieder ins Gleichgewicht kommen. Eine wirksame Methode dafür ist der ziff-Prozess von Hans Rebhan.

Die Verarbeitung unverarbeiteter Gefühle mit dem “ziff-Prozess”


Hans Rebhan (1943-2017), Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Coburg, seit 1985 NLP-Lehrtrainer (zeitweise im Vorstand des DVNLP) und bis zu seinem Tod Therapeut in eigener Praxis, erkannte in seiner therapeutischen Arbeit, dass es nicht zu nachhaltigen Lösungen führte, wenn die Ursachen für aktuell problematische Situationen in schwierigen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit gesucht wurden. Er sah die eigentliche Ursache für die Entstehung von Problemen in einem falschen Umgang mit unseren notwendigen Grundbedürfnissen und Gefühlen. Aus seiner therapeutischen Arbeit mit KlientInnen entsprechend der Grundannahmen des Neurolinguistischen Programmierens, der Hypnotherapie von Milton A. Erickson und einem ganzheitlichen Verständnis von Symptomen bzw. Erkrankungen entwickelte er den sog. ziff-Prozess. Er basiert nicht auf einer rationalen, sondern auf einer emotionalen Verarbeitung  aktuell belastender Situationen: Gefühle werden nicht analysiert oder lediglich “abreagiert”, sondern tatsächlich gefühlt und dadurch verarbeitet. In regelmäßigem interdisziplinärem Austausch mit Ärzten, Psychologen und Therapeuten diskutierte Hans Rebhan seine Erfahrungen und entwickelte den Prozess weiter. Leider konnte er sein geplantes Buch dazu nicht mehr veröffentlichen.

Sie wollen mehr über den ziff-Prozess erfahren? In der Bibliothek finden Sie Interviews mit Hans Rebhan, Live-Mitschriften von Beratungseinheiten sowie Erfahrungsberichte von KlientInnen mit dem ziff-Prozess.