Die positive Absicht eines Symptoms (Interview mit Hans Rebhan)

„Es gibt Autoren (z.B. Rüdiger Dahlke. Krankheit als Symbol), die speziellen Krankheitssymptomen konkrete Ursachen bzw. Problemverhalten zuordnen. Wie stehst Du da dazu?“

Ich bin skeptisch. Ich glaube nicht, dass wir mit unserem Verstand den ungeheuer intelligenten Körper so einfach verstehen: wenn ein Mensch dieses Symptom hat, muss er das ändern, wenn er jene Krankheit hat, muss er das ändern. Meiner Erfahrung nach macht der Körper Gefühle immer für einen bestimmten Zweck. Und er lässt Gefühle los, wenn er merkt, dass er den natürlichen Weg, den er eigentlich nehmen will, nicht gehen kann, und lässt etwas anderes entstehen – ein psychisches oder körperliches Symptom. Ich erlebe diesen Zusammenhang regelmäßig – er wird aber von Klienten oft nicht wahrgenommen. Ich arbeite viel mit körperlichen Krankheiten, die entstanden sind, weil das vorherige Symptom nicht genutzt wurde. Solange noch keine körperlichen Schäden vorliegen, verschwinden Krankheiten mit ZIFF oft sehr schnell.

„Würdest Du sagen, dass Krankheitssymptome generell eine positive Absicht haben?“

Unbedingt. Es ist vor allem wichtig danach zu schauen, was ein Symptom bewirkt. Manche Menschen haben wahnsinnige Magenschmerzen, die sie nur aushalten können, wenn sie ganz ruhig liegen. Oder solche Rückenschmerzen, dass ihnen jede Bewegung schwer fällt, und sie automatisch weniger tun. Die Intelligenz des Körpers steuert mit der Art des Symptoms, ob jemand nur weniger oder gar nichts mehr machen kann. Der Körper sorgt so von sich aus für den notwendigen Mindestausgleich.

Ein Beispiel: Eine Frau opfert sich immer wieder auf – für die Kinder, den Mann, die Firma, die Schwiegereltern. Sie hat eigentlich nie Zeit für sich. Darauf angesprochen, dass sie für sich selbst eigentlich keine Zeit hat, antwortet sie: „Ja, aber ich mache es ja gerne“. Ob sie das gerne macht, ist dem Körper egal. Er reagiert nicht sofort, aber nach Jahren. Und zwar setzt er ein Symptom ein, das sie daran hindert, so weiter zu machen. Das können Ängste sein, Migräne oder etwas anderes.

Nehmen wir die Migräne als ein typisches Symptom. Migräne bringt die Menschen dazu, zwei oder drei Tage lang völlig ruhig liegen zu bleiben. Damit verschafft sich der Körper die Ruhe, die sie sich lange nicht mehr gegönnt haben. Die Migräne muss aber regelmäßig kommen, um immer wieder diese Wirkung zu erzielen. Damit könnten die Betroffenen eigentlich uralt werden – zahlen aber den Preis der wiederkehrenden Anfälle. Früher gab es keine wirksamen Mittel gegen Migräne. Man hat vergeblich versucht, sie mit starkem Kaffee in den Griff zu bekommen. Heute gibt es Medikamente, die die Migräne innerhalb von 15 Minuten nach der Einnahme „wegmachen“. Dann machen die Menschen so weiter wie vorher. Trotzdem versucht der Körper immer wieder Migräne einzusetzen, um sich Pausen zu verschaffen Nach ungefähr vier Jahren lässt der Körper die Migräne los, weil er damit nichts erreicht hat, und schickt ein ernstes Symptom. Oft erfahren ehemalige Migränepatientinnen einen Monat später, dass sie Brustkrebs haben. Die Diagnose Brustkrebs löst in der Regel einen so starken Schock aus, dass die Frauen ihr bisheriges Leben überdenken. Jetzt sind sie sich selbst wirklich am wichtigsten – denn sie wissen, dass sie es nicht überleben werden, wenn sie jetzt nichts tun. Sie fangen endlich an, sich um sich selbst zu kümmern. Dann ist in der Regel auch die medizinische Behandlung erfolgreich. Es besteht aber die Gefahr, dass sie in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen, wenn der Arzt nach einer Nachuntersuchung die Genesung diagnostiziert. Seit 25 Jahren arbeite ich mit Frauen mit Brustkrebserkrankungen. Ich befrage sie ausführlich, welche Symptome sie vor der Brustkrebserkrankung hatten. Es geht von Migräne bis zu Magen- und anderen Schmerzen – und regelmäßig waren diese Symptome kurz vor der Brustkrebserkrankung verschwunden.

„Heißt das, du siehst eine kausale Verbindung zwischen Migräne, Brustkrebs und der Tendenz, sich selbst aufzuopfern?“

Ja. Ich habe eine Onkologin gebeten zu beobachten, ob sie bei ihren Untersuchungen zu den gleichen Erkenntnissen kommt. Drei Jahre später habe ich von ihr die Bestätigung erhalten. Auch wenn sie zuvor während ihres Studiums oder in Fortbildungen nie etwas über einen solchen Zusammenhang gehört hatte, hat sie ihn in den Gesprächen mit ihren Patientinnen gefunden. Normalerweise kommt Brustkrebs nach fünf Jahren wieder, wenn der Körper diese Erkrankung weiter einsetzen muss, um den Frauen erneut die erforderliche Ruhe zu verschaffen bzw. um sie dazu zu bringen, nach ihren eigenen Bedürfnissen zu leben. Ich habe aber noch keine Frau erlebt, die nach dem ZIFF-Prozess noch einmal Brustkrebs bekommen hat.

„Wie könnte man diesen Zusammenhang frühzeitig in die Therapie einbeziehen, um den Frauen zu helfen?“

Wenn Frauen mit Migräne zu mir kommen, dann frage ich nach. Ich finde immer – wirklich immer – scheinbare Verpflichtungen, in die sie sich hineinzwängen und glauben, dass sie das so machen müssen. Dann verbiete ich diese Handlungen regelrecht. Ich beschreibe ihnen genau, wie sie sich verhalten müssen bzw. wo sie für sich einzustehen haben. Wenn sie Angst davor haben, „nein“ zu sagen, dann setze ich den ZIFF-Prozes ein. Ohne Angst sind sie dann in der Lage, ihre Erkenntnisse auch umzusetzen. Sie machen Dinge anders und ich erlebe – manchmal sehr schnell -, wie die Migräne einfach verschwindet. Völlig ohne Medikamente. Und dann sage ich: „Wenn Sie merken, dass Sie innerhalb der nächsten Jahre wieder Kopfschmerzen bekommen, rufen Sie mich bitte sofort an.“ „Ja, das kann ich schon machen, aber warum?“ „Damit ich Sie so richtig zusammenscheißen kann“. Dann lachen wir beide.

„Das heißt, Ängste, Depressionen, Migräne und sogar Brustkrebs sind letztendlich nur gut gemeinte Schutzmechanismen unseres Körpers?“

Ja. Aber wir bekämpfen den Körper, weil wir meinen, er hat etwas falsch gemacht, nämlich Krankheiten erzeugt.

„Siehst du auch bei anderen Formen von Krebs eine positive Absicht?“

Krebs ist unbestritten eine schlimme Krankheit. Wenn ich bei dieser Erkrankung nichts Grundsätzliches ändere, führt sie zum Tod. Aber mittlerweile ist bekannt, dass auch Krebszellen wieder heilen können. Ich halte Krebszellen für sehr liebenswürdige Zellen. Ich erlebe sie nicht als bösartig, auch wenn man immer sagt: „Jemand hat bis zum Schluss gegen die bösartigen Zellen gekämpft“. Kampf halte ich immer für den falschen Weg. John Upledger hat in seinem Buch „Cell talk“ seine Methode beschrieben, mit Zellen zu kommunizieren. Wenn ich mit einem Menschen mit einer Krebserkrankung arbeite, frage ich die Krebszellen in meiner Vorstellung: „Was muss er tun, dass ihr Zellen wieder gesund werden könnt?“ Anschließend frage ich sie, ob sie dem Klienten das auch selbst sagen würden. Die Zellen stimmen in der Regel zu. Dann lasse ich den Klienten in seiner Vorstellung ein Bild von dem Krebs machen, lasse ihn anschauen, wie die Zellen aussehen und fühlen, welche Gefühle kommen. Manchmal kommt Angst oder Wut. Ich warte so lange bis das Gefühl vorüber ist und sage: „Jetzt berühren wir den Krebs mit den Händen – nur in der Vorstellung“.

„Mit Zellen reden? Können sie sprechen? Wie muss ich mir das vorstellen?“

Zellen benutzen nicht unsere Sprache. Sie teilen sich uns üblicherweise über Bilder und Gefühle mit. Bei Zellen muss ich oft nachfragen, ob ich sie richtig verstanden habe. Manchmal bestätigt es sich, manchmal kommt auch ein noch genaueres Bild. Dem Klienten sage ich, er soll sich sein eigenes Bild machen. Ob das wirklich mit dem Originalbild übereinstimmt, ist unerheblich. Wenn er seinen Krebs anschaut, dann kommen auch die Ängste hoch, die er mit dem Krebs verbindet. Ich bitte ihn, die Ängste zuzulassen und sie zu fühlen. Wenn sie dann vorüber sind, sage ich: „So, jetzt berühren wir den Krebs – nur in der Vorstellung“. Er berührt den Krebs und manchmal kommt die Angst noch einmal hoch. In der Regel ist sie aber nicht mehr so stark, dauert nicht mehr so lange und geht dann wieder weg. Dann sage ich: „Und jetzt fange an, deine Hände – nur in der Vorstellung – zu bewegen und deinen Krebs ganz liebevoll zu streicheln“. Dieses Streicheln ist eigentlich das wesentliche Signal für die Zellen. Ich kann nämlich nichts streicheln, was ich innerlich bekämpfe.

„Ist das nicht für viele Menschen ein schwer vorstellbarer Gedanke?“

Ja, aber sie machen das. Und was mir dabei auffällt: sie versöhnen sich mit dem Krebs. Das ist es auch, was ich am Anfang sagte: der Krebs hat gar nichts Bösartiges an sich. Nur sie selbst haben sich bisher bösartig mit sich verhalten, haben sich nicht ernst genommen. Diese Erkenntnis bekommen die Klienten in der Regel bereits im Vorgespräch mit mir. Und daher streicheln sie. Und während sie den Krebs streicheln, wird er kleiner und kleiner. Das ist in fast allen Fällen so. Und bevor der Krebs ganz weg ist, sage ich: „Jetzt halte mal die Hände still und frage die Krebszellen: Was kann ich tun, damit ihr wieder gesund werdet?“ Und dann kommt genau die Antwort, die ich bereits vorher bekommen habe – auch mit Bildern und Gefühlen. Ich lasse mir die Antwort von den Klienten sagen. Stimmt die Antwort mit meinen Antworten überein – und das ist eigentlich die Regel so -, dann weiß ich, dass diese Antworten nicht nur Hirngespinste sind, sondern dass es das ist, was umzusetzen ist. Und wenn Klienten das innerlich selbst gehört haben, sind sie viel leichter bereit, sofort etwas zu verändern. Überall dort, wo die Umsetzung ihnen Schwierigkeiten bereitet, mache ich mit ihnen den ZIFF-Prozess. Ich habe mit einem Klienten mit Leberkrebs gearbeitet. Er sollte genau acht Tage nach unserem Termin in der Uniklinik operiert werden. Ich habe mit ihm vereinbart, dass er in den kommenden Tagen immer wieder Kontakt zu seinen Krebszellen aufnimmt und liebevoll mit ihnen umgeht – nicht mit ihnen spricht, sondern ihnen einfach nur liebevoll begegnet. Und zwar so lange, bis er selbst das Gefühl bekommt, dass es genug ist. Als er zur Operation in die Klinik ging, war der Krebs nicht mehr da.