“Coaching” oder “Psychologische Beratung”?

Der Begriff “Coaching” wird hauptsächlich im beruflichen Kontext verwendet. Der Begriff „Coach“ ist nicht geschützt. Jeder kann heute eine Ausbildung zum Coach machen. Je nach Anbieter sogar in zwei Wochen oder “online”. “Psychologische Beratung” wird – leider – immer noch auf psychische Probleme reduziert. Dafür ist jedoch psychologisches Wissen erforderlich, das in staatlich anerkannten Prüfungen als “Diplom-Psychologe/in” oder “Heilpraktiker für Psychotherapie” bewiesen werden muss.

Coaches im beruflichen Umfeld betonen gerne, dass sie ausschließlich Lösungsstrategien für berufliche Probleme  erarbeiten. Aber was heißt das?  Die bisher äußerst erfolgreiche Projektmanagerin kann durch die unerwartete Trennung ihres Partners völlig aus der Bahn geworfen werden. Hinter den Schwierigkeiten einer Führungskraft, Aufgaben zu delegieren, verbirgt sich vielleicht die Angst, nicht gut genug zu sein und von anderen überholt zu werden. Hinter langen Arbeitszeiten der Wunsch nach Status und Anerkennung. Selbst bei einem Coaching zum eigenen Zeitmanagement kann es niemals nur um Methoden gehen. Wir haben ja unsere ganz persönlichen Gründe, warum wir Aufgaben aufschieben, nicht “Nein” sagen können oder uns zu viel vornehmen. Und es geht um noch viel mehr: Stress- und Angstsymptome am Arbeitsplatz bis hin zu Burnout sind in den letzten Jahren rasant angestiegen. Sind gesundheitsschädigende Verhaltensgewohnheiten wie übermäßiger Alkoholgenuss oder übermäßiges Essen als Ausgleich für empfundenen Stress am Arbeitsplatz psychische Probleme, die nicht in ein Coaching gehören? Wie ist es mit körperlichen (Stress-)Symptomen wie z.B. Nacken- oder Kopfschmerzen oder Schlafstörungen? In der praktischen Arbeit wird schnell deutlich, dass berufliche und persönliche Themen ineinander übergehen.

Selbstvertrauen, Stress-Resistenz, Konfliktkompetenz oder Führungsstärke lassen sich nicht durch Verhaltenstipps entwickeln. Eine nachhaltige persönliche Weiterentwicklung bedarf der Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen, Denkmustern, Ängsten und dem eigenen Selbstbild.  Körperliche und psychische Symptome geben dafür oft wichtige Hinweise. Erst dann können Menschen die für sie richtigen Entscheidungen treffen und stimmige Lösungen finden. Egal, ob dieser Prozess “Coaching” oder “psychologische Beratung” genannt wird. 

Fazit: Auch ein Coach in einem beruflichen Umfeld sollte über Wissen in den Bereichen Psychologie und Psychosomatik verfügen und sich mit Denkmustern, belastenden Gefühlen und emotionalen Verarbeitungsprozessen auskennen. Das ist bei mir der Fall…